Crowdfunding und Kulturförderung: passt das zusammen?


© Alfred Witucki ; Pixelio

Gestern hat Steffen Peschel auf Facebook nach Beispielen gesucht, in denen ein (Kunst)-Projekt über öffentliche Fördergelder und Crowdfunding finanziert worden ist. Konkret ging es ihm um die Frage, ob es möglich ist, dass eine erfolgreiche Crowdfunding-Aktion die Voraussetzung dafür ist, öffentliche Fördergelder zu erhalten. Von „Crowdfunding als Vorqualifizierung“ hat Andreas Gutjahr in seinem Blogbeitrag „Mehr als Betteln: Learnings von der co:funding“ gesprochen und damit einen ganz interessanten Weg aufgezeigt, wie sich Kunst- und Kulturprojekte angesichts sinkender öffentlicher Budgets trotzdem noch finanzieren lassen.

Das würde bedeuten, dass Kunst- und Kulturprojekte erst dann eine Chance bekommen, an öffentliche Mittel zu kommen, wenn es ihnen davor gelingt, über eine Crowdfunding-Aktion eine Art Vorfinanzierung zu sichern. Sinnvoll oder nicht sinnvoll? Schauen wir uns die aktuelle Situation doch einmal an.

Wer sein Vorhaben nicht schon von Beginn weg ausfinanziert hat oder sich auf der rein kommerziellen Schiene bewegt, wo wir dann von Investitionen sprechen, versucht meist, in einem ersten Schritt an öffentliche Gelder zu kommen. Erhält man eine Zusage, hat man in der Regel einen nicht unbedeutenden Teil der Ausgaben gedeckt. Wie aber finanziert man den Rest aus? Spenden, Sponsoring oder Einnahmen sind wohl die Quellen, die angezapft werden, um an das noch fehlende Geld zu kommen.

Bei all diesen Varianten besteht aber die Unsicherheit, erst sehr spät zu wissen, ob die eigene Rechnung überhaupt aufgeht, sprich, ob genügend Geld in die Kasse kommt, um die Ausgaben decken zu können. Klappt das nicht, kommt sehr oft eine weitere Variante ins Spiel, in der die ProjektbetreiberInnen auf ihr Honorar verzichten und am Ende zwar ein Projekt realisiert haben, aber leider nichts damit verdient haben.

Wer auf diese Weise sein Vorhaben finanziert bzw. finanzieren möchte, geht also ein ziemliches Risiko ein, ein Risiko, das sich durch Crowdfunding-Aktionen reduzieren lässt, denn mit der öffentlichen Förderung ist noch nicht sicher, ob sich finanziell alles wie geplant ausgeht. Crowdfunding schließt dieses Risiko zwar nicht aus, allerdings taucht es, wenn man sich den Vorschlag Andreas Gutjahrs anschaut, zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt auf.

Vereinfacht gesagt kann ich die potenziellen BesucherInnen, KäuferInnen, etc. schon vorab darum bitten, sich für oder gegen mein Angebot zu entscheiden. Schaffe ich es nicht, sie davon zu überzeugen, erspare ich mir das Antragsprozedere bei den öffentlichen Stellen. Gelingt es mir, auf diese Weise bereits die Hälfte der Kosten abdecken zu können, kann ich bei den öffentlichen Förderstellen ganz anders auftreten. Ich habe nämlich schon einen Teil der Ausgaben sicher finanziert, was heute meist nicht der Fall ist und bedeutet, dass viele bei ihren Projekten ein nicht unerhebliches Risiko eingehen.

Das bedeutet: meine KundInnen zahlen schon heute für etwas, was sie erst später bekommen. Öffentliche Geldgeber wissen also bereits, dass bei meinem Projekt ein Interesse vorhanden ist und tun sich dann unter Umständen leichter, eine Zusage auszusprechen. Das Prinzip der matching funds ist etwa in den USA durchaus bekannt, allerdings erfolgt die Vorfinanzierung meines Wissens nicht über Crowdfunding-Aktionen.

In der Facebook-Diskussion sah Martin Reichel bei diesem Ansatz die Gefahr, dass nur die Projekte unterstützt werden, an die viele glauben, ein Standpunkt, dem Ralf Lippold widersprach, denn auch ein öffentlicher Geldgeber müsse erst einmal überzeugt werden, so seine Meinung. Ich sehe das ähnlich, denn ist es wirklich immer das Geld der öffentlichen Hand gewesen, das künstlerische Avantgarde ermöglicht hat? Doch eher nicht, man denke etwa an den Wiener Aktionismus.

Insofern ist es in meinen Augen eine interessante Idee, bei der Finanzierung von Kunst- und Kulturprojekten auf die „Crowd“ zu setzen und sich erst dann um die öffentlichen Geldgeber zu bemühen. An diesem Punkt möchte ich die Frage von Steffen Peschel wiederholen und Sie nach Praxisbeispielen fragen. Ich selbst kenne nämlich keines und natürlich wäre es hilfreich, wenn schon jemand über Erfahrungen verfügt und darüber berichten kann.


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Kommentare

8 Antworten zu „Crowdfunding und Kulturförderung: passt das zusammen?“

  1. […] Den kompletten Artikel, natürlich mit allen Liunks, gibt es hier […]

  2. „Wer auf diese Weise (öffentliche Fördermittel) sein Vorhaben finanziert bzw. finanzieren möchte, geht also ein ziemliches Risiko ein. […]“ Danke! Risiko ist genau das richtige Wort.

  3. Martin Reichel – Kulturbüro Dresden

    Ich wollte meinen Einwurf: „Gefahr, dass nur die Projekte unterstützt werden, an die viele glauben“ noch mal konkretisieren. Für Crowdfunding muss die „Growd“ auch die finanziellen Möglichkeiten haben. Wenn ich darüber Kulturprojekte vorfinanziere, z.B. ich verkaufe vorher Eintrittskarten etc., und weiss damit wie viele Menschen sich für das Projekt interessieren, finde ich den Ansatz gut. Wenn Crowdfunding aber zum alleinigen Entscheidungskriterium für öffentliche Unterstützung wird, halte ich es für Kritisch. Hier fällt mir z.B. ein Obdachlosentheater- ich kann mir schwer vorstellen das sich hierfür dauerhaft genug Unterstützer finden lassen.
    Ich finde den Ansatz Crowdfunding als Unterstützung/ Messkriterium für öffentliche Förderung interessant, aber nur für die Projekte für die es auch passt.
    So jetzt könnt ihr weiter denken und Kommentieren.
    DANKE!

  4. […] Ähnlich, wie Christian Henner-Fehr in seinen Blogbeitrag darstellt, sehe ich in der Idee auch einiges an Potential. Mir ist aber aufgefallen, dass in der Idee, so wie sie formuliert ist, zwei Einzelteile zusammen gebracht werden, die so nicht zusammen gehören. Das was wir suchen sind die anderen 50%, d.h. es geht also um die Menge, um die Höhe der Finanzierung. Kulturförderung ist aber ein Instrument, die diesen Aspekt, die Höhe der Förderung, gar nicht beeinflußt. In der Kulturförderung muss lediglich die Entscheidung getroffen werden, ob ein Projekt gefördert wird oder nicht. Das ist eine rein kurative Aufgabe. Die Frage nach der Menge des Geldes wird zum einen in den Haushaltsplänen festgelegt und zum anderen ebenfalls auf Seiten der Politik, wenn die Förderrichtlinien formuliert werden. Der Prozess der Kulturförderung ist Verwalten und Kuratieren. […]

  5. @Martin Reichel: ich verstehe Deinen Einwurf und sehe auch die Gefahr, dass dadurch bestimmte Inhalte unter den Tisch fallen. Obwohl es ja eigentlich auf diese Weise leichter fallen müsste, das Interesse für Nischenthemen zu wecken, Stichwort Long Tail.

    Aber um diese Gefahr auszuschließen, würde ich einen solchen Ansatz nicht generell befürworten, sondern ihn nur in speziellen Programmen anbieten bzw. erst einmal testen.

  6. […] Beim Crowdfunding stellen sich zwar ebenfalls Fragen nach der gerechten Verteilung (Einen wichtigen Hinweis liefert Martin Reichelt im Blog von bei Christian Henner-Fehr), aber die Transparenz […]

  7. Anna Theil

    Spannende Diskussion! Ich finde, dass Crowdfunding aus unterschiedlichen Gründen eine gute „Vorqualifizierung“ für die öffentliche Förderung sein kann und dass eine Koppelung der beiden Systeme durchaus sinnvoll wäre. Auf der co:funding wurde auch von Seiten der Kulturverwaltung (Tanha Mühlhans und Sebastian Dresel)oft betont, dass die Projektfinanzierung insbesondere für kleinere Projekte schwierig ist … das hängt klarerweise immer mit dem bürokratischen Aufwand zusammen. Das hat zur Folge, dass viele Gelder eher in die institutionelle Förderung fließen. Deshalb freuen sie sich natürlich, dass mit Crowdfunding hier ein Instrument für die Projektfinanzierung geschaffen wird, dass flexibel ist und bei dem die Projektauswahl gemeinsam von Künstlern und dem Publikum getroffen wird. Gleichzeitig wurde die Idee des „Spiegelungs-Modell“ ja schon auf der co:funding diskutiert: Wenn die öffentliche Hand also nochmal einen bestimmmten Prozentsatz zu erfolgreichen Crowdfunding-Projekten dazu gibt, erscheint mir das eine gute Idee, weil die Crowd und die Anzahl der Unterstützer auch ein Qualitätskriterium ist und die Verwaltung in der Projektfinanzierung wieder aktiver ist. Damit würden sich die Förderinstitutionen stärker öffnen, der „Siegel“ der Förderinstitutionen wird sichtbarer und transparent wäre es auch.
    Ich glaube, dass die Bindung an das Publikum auf Crowdfunding-Plattformen kombiniert mit der Bindung an Experten der öffentliche Förderung eine sinnvolle Lösung sein könnte …

    Natürlich hängt das alles immer stark von den einzelnen Projekten ab und man muss Prozesse finden, die solche Modelle der Zusammenarbeit sinnvoll ermöglichen … wir arbeiten bei Startnext schon an solchen Konzepten und das Interesse an den Ideen von Seiten der öffentlichen Kulturförderung ist scheinbar auch da.

    Ich bin gespannt auf die weitere Diskussion!

    Empfehlen kann ich euch noch diesen Artikel … in anderen Ländern wird scheinbar auch schon an solchen Modellen gearbeitet: http://www.labforculture.org/en/users/site-users/site-members/christopher-madden/51399/80478

  8. @Anna Theil: Danke für den Link zu Christopher Maddens Artikel. Über ihn bin ich auf seinen Beitrag Crowdsourcing government arts funding an anderer Stelle gestoßen, in dem er schon recht detailliert ein mögliches Modell beschreibt.

    Ich finde den Ansatz spannend, dass sich öffentliche Förderstellen und Crowdfunding-Plattformen zusammen tun. Wie gesagt, nicht jedes Projekt ist für diese Art der Finanzierung geeignet, da liegt Martin Reichel mit seinem Kommentar schon richtig. Aber das Potenzial ist da und so lassen sich vielleicht wieder Perspektiven schaffen in einer Zeit, wo das Geld für Kunst und Kultur immer knapper zu werden scheint.

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