Audience+: Social Media im Kulturbetrieb einführen

Gestern war es wieder soweit, in Luzern stand der dritte von insgesamt fünf Workshops im Rahmen von Audience+ an. Ein paar Beobachtungen und Fragen:

  • Wir haben gestern über die Nutzung von Social Media allgemein gesprochen. Interessant ist, dass die MitarbeiterInnen der am Projekt beteiligten Museen auch privat das Web 2.0 eher selten nutzen. Vergleicht man den Prozentsatz mit den Durchschnittszahlen einzelnen Länder, dann ist hier eine deutliche Diskrepanz zu erkennen. Interessant wäre es jetzt herauszufinden, ob das erstens auch in anderen Ländern so ist und zweitens nur für den Museumsbereich gilt. Ich vermute, dass das ganz allgemein für den Kunst- und Kulturbereich gilt, kann das aber nicht belegen.
  • Viele Museen gehören Bund, Länder oder Gemeinden. Das heißt, sie müssen sich an die von den öffentlichen Stellen vorgegebenen Regeln halten. Häufig ist im Bereich der öffentlichen Verwaltung der Zugang zu beispielsweise Facebook gesperrt. Das ist, so denke ich, eine ziemliche Hürde, wenn ein Museum einerseits auf Facebook mit den potenziellen Zielgruppen kommunizieren soll und andererseits aber der Zugang für MitarbeiterInnen des Museums nur in Ausnahmefällen erlaubt ist. Die Frage ist, mit welchen Argumenten man etwas gegen solche Verbote tun kann?
  • Nicht nur in Luzern, sondern auch in vielen Gesprächen höre ich immer wieder durch, dass Interesse und Begeisterung für Social Media in den Kultureinrichtungen vorhanden sind. Aber bis in die Führungsetage ist diese Begeisterung nicht gelangt. Hier gilt es Überzeugungsarbeit zu leisten. Die Frage ist, wie man das angeht? Sind es vor allem Zahlen, die beeindrucken oder macht es Sinn, auf Qualität zu verweisen, ohne das dann mit Zahlen belegen zu können? Konkret: reicht es, auf viele Fans oder Follower zu verweisen oder ist der Hinweis auf die Dialogmöglichkeiten zielführender?

Viele von Ihnen arbeiten selbst in Kultureinrichtungen. Wie schätzen Sie die Situation ein? Wie könnte man Ihre Chefs, so sie noch nicht für das Thema gewonnen worden sind, vom Thema Social media überzeugen? Und was kann man gegen Facebook-Verbote tun? Ihre Meinung würde mich sehr interessieren.


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21 Antworten zu „Audience+: Social Media im Kulturbetrieb einführen“

  1. […] 18. Mai 2010 Diese Frage wird derzeit in der Blogosphäre vielfach diskutiert (aktuell etwa im Kulturmanagement-Blog, auf Audience+ oder Annarentsch20), denn obwohl die Forschung im Bereich „Kultureinrichtungen im […]

    1. Das ist zwar nur ein Link, auf den ich hier antworte, aber Simon A. Franks Erklärungsversuch für die kritische Haltung, die der Kunst- und Kulturbereich gegenüber dem Social Web einnimmt, klingt in meinen Augen sehr plausibel und nachvollziehbar. Es lohnt sich also, den Link anzuklicken. ;-)

  2. Facebook-Verbot am Arbeitsplatz und das Abschalten von bestimmten Web-Adressen ist Zensur! Stell Euch das mal „offline“ vor: Euer Arbeitgeber verbietet Euch, die Süddeutsche Zeitung mitzubringen. Er kann zwar untersagen, dass ich während der Arbeitszeit die Zeitung lest, aber er kann nicht einfach den „Zugriff“ verhindern – z. B. für die Kaffeepause.

    1. Naja es geht hier ja um Kontrolle. Der Arbeitgeber kann sehen, ob der Angestellte während der Arbeitszeit oder in der Pause Zeitung liest. Den Zensur-Vorwurf finde ich aber gerechtfertigt! Ich finde ein Arbeitgeber der seinen Mitarbeitern nicht vertraut schafft keine angemessene Basis. Schafft der Arbeitnehmer seine Aufgaben, sei es ihm auch vergönnt ab und an seinen Facebookaccount o.ä. zu checken. An vielen Arbeitsplätzen sind ja auch Raucherpausen kein Problem, man kann eben nicht 8 Stunden am Stück 100% produktiv sein. Wären die Seiten nicht gesperrt könnten sie auch fürs Unternehmen genutzt werden! Außerdem sind in der Regel nicht nur SocialNetworks gesperrt, sondern auch Webmailer, Rechtsseiten, Bankdienste ect. Es geht hier um Kontrolle, wie bereits erwähnt. Es muss ein Umdenken stattfinden, denn mit SocialNetworks gibt man so oder so ein gewisses Maß an Kontrolle auf.

      1. @studentenbuehnephlb: das mit dem Vertrauen ist schon richtig, aber man kann Vertrauen auch missbrauchen. Und dann?

    2. @Simon A. Frank: grundsätzlich sehe ich das ähnlich. Wenn dann aber die Hälfte der Arbeitszeit für Farmeville verwendet wird, dann schadet das dem Arbeitgeber. Bleibt die Frage nach den Alternativen…

      1. Warum nicht einfach eine ergebnisorientierte Steuerung??? Wenn der Mitarbeiter die Hälfte der Arbeitszeit für Farmville verwendet, aber in der anderen Hälfte alles schafft, was der Chef von ihm verlangt, warum sollte der Mitarbeiter dann nicht Farmville spielen? Wenn das der Fall ist, sollte der Chef sich allerdings Gedanken machen, ob er seine Mitarbeiter nicht unterfordert. Und na ja, ein Mitarbeiter, der auf bloße Pflichterfüllung aus ist, ist für ein Unternehmen ohnehin kein Gewinn. Wenn der nicht Farmville spielen darf, geht er halt eine rauchen, quatscht mit Kollegen (und hält diese von der Arbeit ab) oder macht sonstwas. Möglichkeiten zur Ablenkung gibt es jedenfalls auch offline zu genüge.

      2. @Axel Kopp: in Unternehmen, in denen die ergebnisorientierte Steuerung funktioniert, hast Du, behaupte ich, das Problem gar nicht. Womit wir wieder beim Thema Unternehmenskultur gelandet sind…

  3. für die „überzeugungsarbeit“ wären meiner meinung nach die hinweise auf die dialogmöglichkeiten wichtiger, als irgendwelche followerzahlen.

    meiner erfahrung nach erschrecken viele in der führungsetage eher über die tatsache, dass „da ja eigentlich jeder/jede sich einbringen kann“ und keine steuerung („zensur“?) vorgesehen ist.

    und da liegt der kern der sache: sovial media ist weniger eine technische revolution, als eine neuer denkansatz und gänzlich andere kommunikationsstruktur. den führungsetage die chance, die sich daraus ergibt, schmackhaft zu machen, ist ein reizvoller, wenngleich auch langwieriger prozess.

    1. Ja der Kontrollverlust ist hier das größte Problem, das bezieht sich aber nicht nur auf Kulturinstitutionen.
      Warum nicht mit beidem argumentieren, Zahlen und Kommunikationsmöglichkeiten? Followerzahlen sind einen Sache, aber es gibt ja viele Seiten die für eine fruchtbare Kommunikation als Beispiel dienen.
      Wie man die Sache mit dem Kontrollverlust am besten verpackt, weiß ich allerdings auch nicht.
      Es ist aber doch auch gut Kritik zu erfahren. Wenn es ein Problem gibt oder irgendwas nicht so läuft wie gedacht, kann man so darauf eingehen. Jeder der gute Arbeit macht, braucht sich doch nicht vor ein bißchen Kritik fürchten.

    2. @bernhard jenny: stimmt alles und wahrscheinlich gibt es da kein Patentrezept, sondern es gilt die Devise: steter Tropfen höhlt den Stein. ;-)

      Klar ist, das Thema Kontrollverlust steht, wie @studentenbuehnephlb ja auch schreibt, ganz oben, wenn es um Argumente gegen Social Media geht. Aber wie macht man jemandem den Kontrollverlust schmackhaft? Das ist gar nicht so trivial…

      @studentenbuehnephlb: es ist die Frage, ob man Kritik auch aushalten kann? Ich denke, das schafft nicht jeder. In so einem Fall ist es folgerichtig, wenn auf Social Media-Aktivitäten verzichtet wird.

      Ich denke auch, dass man mit einem ganzen Mix von Zahlen argumentieren muss, um Erfolg damit zu haben. Nur die Followerzahlen anzusehen, reicht nicht wirklich. Wobei es da auch darauf ankommt, um wen es sich konkret handelt. Wenn ich beispielsweise dem Twitteraccount von SPON folge, dann will ich Infos und keinen Dialog.

  4. Das gesamte System ist nicht auf Beteiligung von Außen angelegt, insofern wundert mich die Social Media Abstinenz nicht. Weder in der Finanzierung noch in der Kommunikation gibt es das Zwei-Wege-Modell. Bis auf Besucherbefragung und in der Finanzierung des Freundeskreis gibt es wenig Instrumente zur Öffnung der Kulturinstitution. Es geht also um ein tiefgreifendes Umdenken. Das braucht Zeit und ggf. auch Personalwechesel in der Führungsebene.

  5. Woher kommt denn die Begeisterung für Web 2.0, wenn es die Teilnehmer weder privat noch „dienstlich“ nutzen?

  6. Laut einer Studie von Burson Marsteller verbieten 44 % aller Unternehmen in Deutschland die Nutzung von Social Media während der Arbeitszeit.

    Einer der wichtigsten Gründe: Die Sorge vor dem Kontrollverlust über die Markenkommunikation.

    Dabei ignorieren die Unternehmensleitungen, daß längst 25 % der Suchergebnisse bei Google nicht mehr zur Marke selbst, sondern zu Social Media Content führen.

    Gerade für größere Unternehmen stellt die Nutzung von Social Media-Plattformen aber deutlich mehr als eine rein kommunikative Herausforderung dar:

    Vielmehr geht es dabei im Kern um die Frage, wie sich die komplexe Innovation der organisationsübergreifenden Kommunikation am besten in den Geschäftsalltag mit welchen Mitarbeitern und welchen Kompetenzen integrieren lässt – ohne dabei Schiffbruch zu erleiden und gleichzeitig erhebliche Synergiepotentiale zu erschließen – und letztlich nicht das Geschäft zu vernachlässigen, sondern zu befördern. Auf den Kunstbetrieb übertragen:

    Kultureinrichtungen brauchen selbstverständlich eine Social Media Strategie – für den Aufbau einer Online-Reputation ebenso wie für den Dialog mit den Kunstinteressierten (Kunden).

    Für den Fall, daß Sie sich für das Thema PR 2.0 intensiver interessieren: In der XING-Gruppe „PR 2.0 – HYBRID MARKETING“ vernetzen wir Anwender und Experten.
    http://www.xing.com/group-52993.3889e2

  7. Eine andere sicht auf die situation: es gibt auch solche institutionellen arbeitsverhaeltnisse, da wollen die leitung aber die mitarbeiter blockieren! die haben dann solche arbeitsvertraege bei denen man sehr schwer „motivierend“ wirken kann. Wenn dann noch eine besucherauslastung von 80% besteht, dann lehnen sich diese mitarbeiter besonders gern in ihrem sessel zurueck.
    HG
    AK

  8. Danke für den Beitrag. Die Frage, wie die Chefetage überzogen werden kann ist ja dann auch gleichzeitig die Frage nach den (vielleicht in Zukunft standardisierten) Evaluationskriterien, – denk ich jetzt mal.

  9. Gestern war XING-Stammtisch in Ulm. XING-Ulm hat über 6000 Members. Zufällig waren Ulms OB und seine rechte Hand (der unter anderem für Wirtschaftsförderung Zuständige) im selben Lokal. Bei wussten nicht, was XING ist …

    Gib mal bei Facebook im Suchfeld „Ulm“ ein. Du liegst flach! Twitter? Das Allgäu twittert, aber Ulm? No chance. Auf XING? Jede Menge „Ulm“ – aber alles UserInnen, die so heißen.

    Demtentsprechend verhalten sich die Kultur-Institutionen, vom Museum über die vh bis zum Theater. websites haben alle – online gestellte Flyer. web 2.0 – was soll das denn sein?

  10. @wehweh: die Begeisterung entsteht z.B. durch Workshops und Seminare, wenn jemand versteht, welche Möglichkeiten ihm das Social Web bietet. Andererseits wächst die Zahl derer, die mit dem Social Web aufgewachsen sind und diverse Tools „semiprivat“ nutzen. Wenn die merken, was sie damit erreichen können, ist die Begeisterung häufig groß.

    @Detlef Korus: stimmt, die Unternehmensleitungen ignorieren viel, wenn es um das Thema Social Web geht. Die Frage ist, ob das eine vorsätzliche Ignoranz ist oder einfach Nichtwissen? Davon hängt es ja dann ab, wie ich darauf reagiere.

    Das Problem: wahrscheinlich wird jeder Chef eines Kulturbetriebes der Meinung sein, dass die Online-Reputation wichtig sei. Trotzdem ist dann beispielsweise der Facebook-Zugang gesperrt.

    Die Frage: wo setzt man ab, um hier so etwas wie einen Sinneswandel zu erreichen?

    @klischnet: Du meinst bezogen auf die Social Media-Aktivitäten?

    @Bettina Minder: ja, ich denke, wir müssen uns vermehrt mit dem Thema Erfolgsindikatoren beschäftigen. Dabei kommt es meiner Meinung nach auf die richtige Mischung an. Natürlich freut sich jeder über steigende Followerzahlen auf Twitter. Aber das alleine reicht halt nicht unbedingt.

    @augustheater: neuen OB wählen, am besten per Xing, dann ist zumindest dieses Problem gelöst. :-)

    Was glaubst Du, hindert Kulturbetriebe, sich darauf einzulassen: Angst, Unwissenheit, Ignoranz oder eine Mischung daraus?

    1. @Christian „wahrscheinlich wird jeder Chef eines Kulturbetriebes der Meinung sein, dass die Online-Reputation wichtig sei“ – Bist Du Dir da sicher? Ich würde sagen eben leider nur jeder dritte (ohne eine Studie zu kennen).

  11. @Simon A. Frank: jeder wahrscheinlich nicht, aber die große Mehrheit. Aber eben nur, so lange die Sache nichts kostet und keine Gefahren lauern.

    Letzteres sehe ich als Problem, ob es jeder dritte oder zweite ist, ist eigentlich egal, oder?

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