„Art must die“


© Helge Haibach; Pixelio

„we shall let the past remain the past, the future—the future, and we shall live only in the present, in the here and now, and create works for the present age alone.“

zitiert Alex Ross in seinem Blogpost „Art must die“ aus einem Brief, den Richard Wagner 1850 an Franz Liszt geschrieben hat und schlussfolgert daraus:

„If you really wanted to be true to the spirit of Wagner, you would stop playing him and focus on new work instead.“

Als ich dieses Blogpost gestern gelesen habe, fielen mir wieder die Diskussionen letzte Woche in Krems ein, in denen es um die Frage ging, wie man das Überleben der klassischen Musik sichern könne (siehe dazu „Classix 2.0: ‚Das Online-Erlebnis Klassik ist zu kompliziert‘„)? Vielleicht ist es gar nicht falsch, dass die künstlerischen Werke der Vergangenheit an Bedeutung verlieren und Platz machen für das Neue, das da kommt?

Nur kommt da gar nicht so viel, denn wir zelebrieren lieber die Vergangenheit als uns auf das Neue einzulassen. Kehren wir noch einmal zurück zum Beispiel klassische Musik. Wenn Greg Sandow und Martin Tröndle feststellen, dass das schwindende Interesse an klassischer Musik nichts mit dem Alter zu tun hat, sondern dem Kohorteneffekt zuzuschreiben ist, dann stellt sich die Frage, ob diese historische Form von klassischer Musik nachfolgende Generationen einfach nicht mehr anspricht?

Das Problem: zeitgenössische Musik ist schwer vermittelbar. Heißt es. Die Frage ist, ob dafür genug getan wird? Einerseits sind die (finanziellen) Rahmenbedingungen für KomponistInnen heute alles andere als rosig. Andererseits dominieren Bach, Mozart & Co. immer noch den heutigen Musikunterricht, wenn es um klassische Musik geht. Würde es nicht Sinn machen, neuen Kohorten neue Musikangebote zu unterbreiten?

Kulturblogger Christian Holst bringt die Sache auf den Punkt, wenn er in seinem gestrigen Beitrag „Airbag für die Pferdekutsche: Innovation im klassischen Konzert“ die Frage stellt:

„(…) ob man das «bürgerliche Konzert» als ausreichend wichtiges kulturelles Erbe erachtet, (um) es weiterhin zu fördern und zum kulturellen Kanon zu rechnen.“

Statt also „bürgerliche Konzerte“ zu fördern, könnte die Kulturpolitik dazu übergehen, zeitgenössische Musik zu fördern. Gleichzeitig müsste es darum gehen, Kindern für Musik zu interessieren und zu begeistern. Das funktioniert einerseits über das Erlernen eines Instruments, wie Christian Holst es in einem Kommentar schon angemerkt hat. Andererseits müssten aber auch Vermittlungsprogramme entwickelt werden, wie sie beispielsweise von KulturKontakt Austria in Form des Programms p[ART] schon angeboten werden.

Nichts gegen die finanzielle Unterstützung von Konzert- und Opernhäusern, aber wenn im Rahmen von p[ART] im Jahr 2009 zehn und in diesem Jahr fünf Projekte unterstützt werden, in denen Schulen und Kultureinrichtungen zusammenarbeiten, dann wird klar, warum sich die nachwachsenden Generationen kaum noch für, in dem Fall, klassische Musik interessieren. Sie haben eigentlich gar keine Chance und im Endeffekt interessiert es auch niemanden. Nur die Konzertsäle sollten sie schon bitte füllen. Und ein paar CDs kaufen.


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Kommentare

7 Antworten zu „„Art must die““

  1. Interessanterweise ist es ja nicht das Problem, Leute überhaupt für Musik zu begeistern. Musik zu konsumieren ist zu etwas total Selbstverständlichem geworden, gerade bei jungen Leuten spielt es eine wichtige Rolle und sie geben eine Menge Geld dafür aus. Leider hören sie nur die «falsche» Musik. ;-) Was möglicherweise gelitten hat (obwohl das auch zu überprüfen wäre) ist das selbstverständliche aktive Musizieren, das ja nicht nur um der Musik selbst Willen zu begrüßen wäre, sondern auch noch jede Menge positive Nebeneffekte hinsichtlich sozialer und kognitiver Fähigkeiten hat.

  2. @Kulturblogger: vielleicht liegt das auch daran, dass Musik eben nicht mehr so „sozial“ ist wie früher? In Krems hieß es, dass klassische Musik großteils zu Hause gehört werde, alleine.

    Und Hauskonzerte dürfte es heute wohl auch nicht mehr geben…

  3. Die jungen Menschen ganz anders als wir, in der Wettbewerb und Konkurrenz das Alleinmerkmal ist um sich zu finden. Und gleichzeitig haben sie die geringsten Chancen sich im Leben was aufzubauen seit 60 Jahren. In Berlin z.B gibt es kaum noch oder gar kein Musikunterricht. D.h. deine Überlegungen ob mehr Geld in den Unterricht für ernsthafte moderne Musik gehen sollte, sind für die Katz.
    Wir müssen unbedingt zurück zu den einfachsten und wesentlichsten Inhalten, zu den Wurzeln, dem eigentlichen Kulturgut.
    Wir brauchen überhaupt erst wieder einen Musikunterricht, in dem auch gesungen wird. Singen, singen, singen. Mehr nicht. Und das ist das ausreichend wichtige Kulturgut, was es zu erhalten gilt. Geige, Gitarre, Schlagzeug, Klavier usw ist ersteinmal drittrangig, weil sie Töne nicht fühlbar machen. Singen, macht ein seelisches Empfinden auch für die möglich, die es noch nie hatten. Zweitens macht Singen ein erhebendes Gruppengefühl möglich. Das wichtigste am Singen ist aber, dass es Tonhöhen und -tiefen im Körper spürbar macht. Man fühlt wie hoch der Ton ist, unabhängig davon, ob man ihn auch hört. Das brauchen Jugendliche, wenn sie am Computer komponieren. Sonst komponieren sie nur Buchstabensuppen oder Zufallklingeltöne. Das Wesentliche in der Musik ist außerdem das Empfinden ‚Ja, ich bin ein Mensch und das ist gut so‘. Es ist dabei völlig unwichtig, welche Pop- oder Rap- oder sonstwas für Kultur bei den Jugendlichen gerade ‚In‘ sind. Das Kulturgut, was es weiterzugeben gilt heißt, freue dich darüber ein Mensch zu sein, zu leben und mit anderen etwas gemeinsam zu tun.
    Die Jugendlichen sind schlau genug, sich selber ihre kritische Gegenkultur aufzubauen. Dazu brauchen sie nur Räume, aber keinen Unterricht von ‚alten Erwachsenen‘.
    Klassische Musik wurde für Menschen geschrieben. Moderne (E-Musik) wurde hauptsächlich geschrieben, um den Terror des Krieges zu verarbeiten und darzustellen. Der Rest hat sich mit Experimenten beschäftigt, im Glauben, irgendwann würden die Menschen diese Musik verstehen können. Es ist aber kein Verstehen der Modernen Musik eingetreten. Und wenn man ehrlich ist, dann ist moderne Musik gar keine Musik, sondern angsteinflößender Krach. Moderne Musik schlägt dem Hörer mit voller Kraft eine Abwertung des Menschen um die Ohren, dass man sich nicht wundern muss, dass die Hörer und Enkel dieser Musik zu allem fähig sind.
    Vielleicht gibt es im Amerikanischen Raum Moderne Musik, die man hören kann. Aber die europäische Moderne samt 12 Tonmusik ist Tierqäulerei. Jetzt willst du diesen Lärm mehr den jugendlichen vermitteln, die sowieso schon mit einem Messer in die Schule gehen. Glaubst du irgendeinen Jugendlichen, der erst das Abitur macht, später studiert und dann, weil er nur Durchschnitt ist, keine Stelle bekommt, glaubst du der wird zur Entspannung und zum seelischen Ausgleich 12 Tonmusik vor sich hinkreischen und neue Klangeffekte, wie zerbrochenes Glas und Totengeheul ausprobieren wollen?
    Mal von den Hauptschülern ganz abgesehen. Die machen 3 Weiterbildungen und dürfen dann mit 27 nach dem Winter die Strassen fegen? Da bietest du ihnen Moderne Musik an. Ist das nicht schon sarkastisch? Die „Moderne“ ist eine Fehlentwicklung und eine Totgeburt von Anfang an. Man ist dem Nachgegangen, weil Päpste wie Adorno und sonstwas für Frankfurter Schulen, den Intellektuellen vorgemacht haben, es gäbe soetwas wie eine höhere Ebene, man müsse nur die Menschen umerziehen. Resultat war, 40 Jahre war es verpönt Dialekt zu sprechen. Chöre, Singen und Kulturgut was über Jahrhunderte entstanden ist, galten als der alte Bart der abgeschnitten werden muss. Schau dir das Ergebniss heute an, die Leistung in DSDS Superstars. Da kann von 50 000 Bewerbern kaum einer singen. Ich kann es übrigens auch nicht. Weil wir damals Lehrer hatten die uns ein Gefallen tun wollten: Cumbala mai Lord haben wir geklatscht und im Anschluss hatten wir uns mit Schönbergs 12 Tonmusik Gurrelieder beschäftigt.
    Ich sage keinen Pfennig für diesen hochtrabenen Quatsch mehr. Lass die Jugend heute endlich wieder Erfahrungen machen, wie .. ich bin ein Mensch, und so klinge ich, das ist mein Nachbar und mit dem kann ich ein Duett singen. Um das Wesentliche zu verstehen, braucht ein Mensch keinen Technikpark.
    Jedem Kind ein Instrument ist auch Unsinn. Das wäre Düngemittel in die Wüste streuen. Musiker werden ihren Weg und ihr Instrument finden. Denen hilft es nicht, wenn jedem Kickboxer ein Schlagzeug zum Zertreten in den Klassenraum gestellt wird.
    Kunst und Kultur wird sich auch mit wenig Geld durchsetzen. Und ich bin auch so gemein zu sagen, Speckt die Kulturhäuser und Vermittler ab. Sie sind träge und selbstherlich. Was wird passieren? Ich hoffe doch eine Demo der Geiger.

  4. Nun ja, Kühe hören auch lieber Mozart als Zeitgenössisches, insofern glaube ich noch nicht ganz an den Untergang der Klassik.

    International gesehen gibt es doch wunderbare Beispiele, von denen man lernen könnte?

    In Frankreich z.B. wird Singen (und Musizieren) ganz groß geschrieben und es gibt ein riesiges Fest über ein Wochenende, das so ähnlich heißt wie „Frankreich singt“ (Gibt’s auch für Chöre). Da steigen bis ins letzte Kuhdorf Konzerte, im ganzen Land, und das Fernsehen und die Medien sind live dabei, zwei ganze Tage lang. Mit Musikarten geht man dabei locker um, vom Schlager über den Chanson, Volkmusik und Klassik, alles dabei. Hinterher sind die Chöre und Musikklassen wieder voll mit Jugend (obwohl es ein Generationenfest ist).

    Überhaupt wird viel mehr gemacht mit jungen Leuten, bei einem Klassikfestival mit dem ich zu tun habe, gehen die klassischen Musiker tagsüber in die Schulen, Musik zum Anfassen – und da sind sich auch Koryphäen nicht zu schade dazu.

    Auch die La Folle Journée (http://de.wikipedia.org/wiki/La_Folle_Journ%C3%A9e), eines der wichtigsten Klassikfestivals, ist ein Publikums- und Medienmagnet mit jeder Menge junger Leute. Über dessen Konzept haben die „Offiziellen“ zuerst laut gelacht. Heute treten dort bekannte Musiker teilweise kostenlos auf, nur um dort spielen zu dürfen, weil es den Karriereschub bringt!

    Fällt mir außerdem Venezuela ein mit seinem Favelaprojekt, über das eine wunderbare Doku gedreht wurde: El Sistema (http://www.el-sistema-film.com/). Da kann man lernen, wie man Jugendliche an die Musik bringt und sogar ein wenig die Welt mit Klassik verändern kann. El Sistema wird übrigens staatlich gefördert, nachdem es privat Erfolg hatte.

    Ich habe spaßhalber mal nach Musikprojekten für Jugendliche in Deutschland gegoogelt. Da gibt es einiges, aber alles ist fast ausschließlich privat finanziert oder über Spenden.

    Vielleicht wird also irgendwann nicht die Klassik aussterben, sondern nur ein behäbiges System?

  5. @martinxy: „Mal von den Hauptschülern ganz abgesehen. Die machen 3 Weiterbildungen und dürfen dann mit 27 nach dem Winter die Strassen fegen? Da bietest du ihnen Moderne Musik an. Ist das nicht schon sarkastisch?“

    Das wäre nicht nur sarkastisch, sondern zynisch. Und wahrscheinlich noch einiges mehr. Und Du hast auch Recht, dass es erst einmal Musikunterricht geben mus, bevor man sich Gedanken darüber macht, was dort passieren soll.

    Gut, bevor man sich über den Musikunterricht Gedanken macht, sollte man sich ert einmal darüber klar werden, in welch fürchterlichem Zustand das Bildungssystem insgesamt ist. Und so weiter und so weiter. Nur bringt das nicht viel, fürchte ich.

    Bevor ich das Bildungssystem zu verändern versuche, mache ich mir lieber Gedanken in dem Bereich, in dem ich zumindest halbwegs eine Ahnung habe. Insofern sind so „banale“ Dinge wie Singen oder ein Musikinstrument zu spielen wahrscheinlich ein recht sinnvoller Ansatz.

    Nicht einverstanden bin ich mit Deiner Kritik an der „modernen Musik“. Es gibt nicht die eine Musikrichtung, die den Geschmack aller trifft. Es gibt Musik, mit der man nichts anfangen kann und die einem auch nicht gefällt, so wie das in der bildenden Kunst oder der Literatur auch vorkommt.

    Ohne jetzt hier Wertungen vornehmen zu wollen oder ein Ranking der Komponisten der letzten 100 Jahre zu erstellen. Es gibt Schönberg, aber es gibt auch Korngold oder Glass.

    Und wenn Du forderst, dass die Jugend ihre Erfahrungen machen soll, dann musst Du theoretisch auch respektieren, dass sie so singen, wie sie in den diversen Castingshows singen.

    Diese Form von Kulturpessimismus liegt mir fern, damit kann ich wenig anfangen, weil ich auch nicht weiß, in welcher Form ich darauf einsteigen soll. Aber ich kann Deine Kritik verstehen, weil mich auch viele Dinge stören.

    Die vielen kleinen Versuche, das Steuer herumzureißen, werden dann aber auch häufig übersehen. Die Aktivitäten in Frankreich, die @Petra hier beschreibt, kannte ich z.B. nicht. Der Hinweis, dass man es in Frankreich nicht so genau mit den Stilrichtungen nehme, finde ich auch sehr aufschlussreich. Warum wird bei uns überhaupt zwischen U- und E-Musik unterschieden? Darf ich mich von Bach nicht unterhalten lassen?

    Diese Musik hier würde ich übrigens nicht als Tierquälerei bezeichnen ;-)

  6. Eine absolut spannende und differenzierte Diskussion des Themas gab es gestern in SWR 2 (als mp3 zum Nachhören):
    http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/swr2-forum/welche-zukunft-haben-konzerthaeuser/-/id=660214/nid=660214/did=6000580/xckmls/index.html

  7. @Petra: tausend Dank für den Link!! Die 45 Minuten werde ich mir am Samstag anhören. Sehr interessante Diskussionsrunde…

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