Das Royal National Theatre nutzt YouTube

Mit dem Aufkommen der Foto- und Videoplattformen ergeben sich für Kulturbetriebe ganz neue Möglichkeiten, potenzielle BesucherInnen zu erreichen. Die klassischen Kommunikationswege sind bekannt und werden von den meisten mehr oder weniger erfolgreich genutzt. Auf Foto und Videos, Blogs, Wikis, Pod- und/oder Vidcasts setzen dagegen die wenigsten. Über mögliche Gründe habe ich ja bereits geschrieben (z.B. hier).

Was kann man tun, um jemanden von etwas zu überzeugen? Man bringt Beispiele. Und genau das mache ich heute. Über Chad M. Bauman’s Weblog Arts Marketing bin ich auf das Royal National Theatre in London gestoßen.

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Credit: Stephen Cummiskey

Das Theater ist im mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Da ist einerseits die Website, auf der sich nicht nur Pod- und Vidcasts finden, die die BesucherInnen der Website mit Informationen versorgen. Nein, die Website bietet außerdem die Möglichkeit, sie per RSS-Feed zu abonnieren. Das heißt, ich sehe in meinem RSS-Reader, wenn es Neuigkeiten auf der Website gibt und kann im Reader gleichzeitig erkennen, um was für Neuigkeiten es sich handelt.

Nur die wenigsten von uns schauen wohl halbwegs regelmäßig auf die Websites von Kultureinrichtungen. Meist geschieht das, wenn man das Programm sucht, Informationen zu einer Ausstellung oder einer Inszenierung sucht, beziehungsweise vielleicht online Karten bestellen möchte. Aber ansonsten? Doch wohl eher nicht.

Mit RSS mache ich es den BesucherInnen meiner Website sehr viel einfacher, sich auf dem Laufenden zu halten.

Zurück zum Royal National Theatre: Das Theater beschränkt sich nicht nur auf seine Website, sondern hat darüber hinaus bei Youtube einen eigenen Channel plaziert. Ähnlich wie wir es vom Kino her kennen, finden sich dort kurze Trailer, mit denen die aktuellen Inszenierungen angekündigt werden. Hier ist zum Beispiel der Trailer zur Inszenierung von Gorkis „Kleinbürger“.

Wie man sieht, ist der Aufwand gar nicht so groß. Und was wichtig ist, der Trailer dauert nur etwa zwei Minuten. Das wird allgemein als Obergrenze angesehen, spätestens zu diesem Zeitpunkt haben die meisten ZuseherInnen bereits weitergeklickt.

Aber die Trailer haben noch einen weiteren Vorteil. Sie lassen sich auf fast jede Website (so wie in diesem Fall) einbinden, was zur weiteren Verbreitung beiträgt. So kann es passieren, dass man plötzlich mit einem „kleinen“ Trailer ein Millionenpublikum erreicht. So weit ist das Royal National Theatre noch nicht, denn den Youtube-Channel gibt es wohl noch nicht so lange. Die mittlerweile 21 Videos (Trailer und Interviews) wurden alle in den letzten drei Wochen online gestellt.

Daher sind auch die Zugriffszahlen noch nicht sonderlich hoch. Das „Kleinbürger“-Video ist mit knapp 1.100 Zugriffen einsamer Spitzenreiter, was wahrscheinlich auch daran liegt, dass es im Arts Marketing-Blog erwähnt und verlinkt worden ist. Und genau darum geht es. Viele Links generieren und so die Aufmerksamkeit auf den Trailer beziehungsweise die Inszenierung lenken.

Das ist aber nur der erste Teil der Übung. Im nächsten Teil geht es um die Qualität der Inszenierung. Die gehört nämlich auch in Zeiten von Web 2.0 immer noch dazu.


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Kommentare

4 Antworten zu „Das Royal National Theatre nutzt YouTube“

  1. bwlzweinull

    Genau so muss es sein! Das ist die Zukunft. Zu kritisieren wäre allein, dass die Bildführung nicht wirklich vermittelt, dass es sich um Theater (und nicht etwa um einen Kinofilm) handelt. Etwas mehr „Bühne“ im Bild wäre gut.

    Ansonsten wage ich die Prognose: Das wird sich für das Theater auszahlen! Nicht in einer Spielzeit und auch noch nicht in der zweiten, aber auf mittlere Sicht wird das Haus besser besucht und das Publikum jünger.

    Natürlich immer unter der Voraussetzung, dass die Inszenierungen qualitativ gut sind. Ein Video-Trailer auf YouTube allein bringt auf Dauer kein volles Haus.

  2. Stimmt, die Qualität des Videos ersetzt nicht die Qualität der Inszenierung. Ich vermisse die „Bühne“ im Video eigentlich nicht. Das wirkt dann sehr schnell abgefilmt und erinnert mich dann an die Art und Weise, wie das Fernsehen früher Theater übertragen hat. Wie hieß das Bauerntheater, das man immer, ich glaube in der ARD, sehen konnte? :-)

  3. […] Christian Henner-Fehrs beschreibt in der Fortsetzung zur Diskussion Theater 2.0 über ein Londoner Theater, das mit Clips auf Youtube wirbt. Eine eigentlich naheliegende Idee. Und es ist auch nicht so, dass es keine deutschen Theaterhäuser gäbe, die kleine Werbe-Clips produzieren. Auf der Seite der Berliner Staatsoper habe ich mal ein Interview mit Barenboim zu einer Produktion gesehen und wahrscheinlich ist es nicht bei diesem einen Clip geblieben. Auf den Seiten z.B. des Aalto-Theaters und des Staatstheaters Braunschweig kann man sich kurze Ausschnitte aus den aktuellen Stücken anzeigen lassen. Allerdings im Realplayer, was nun wirklich die schlechteste Möglichkeit ist, Videos im Netz abzuspielen. Über die Ursachen kann man spekulieren. Vielleicht ist es die Angst vor Kontrollverlust, wenn das Ding einmal »außer Haus« gegeben ist. Wobei ich mich frage: Was sollte Befürchtenswertes passieren? Vielleicht ist es auch das Nonsense- und Schmuddelimage von Videoportalen. Ich vermute aber, der eigentliche Grund ist ganz einfach Ahnungslosigkeit. Und sicherlich gilt der Einwand: Ein paar Videos bei Youtube einzustellen, ist noch nicht mit einem neuen Marketingverständnis gleichzusetzen und wird nach meiner Einschätzung auch kaum nennenswerte Effekte erzielen. Aber alles in allem, also wenn man »vollintegriert« denkt, dann bietet das sog. Web 2.0 einiges an Potenzial – gerade für Theater. Aber das hatten wir ja schon. Speichern bei: […]

  4. […] Das Kulturmanagment Blog am 19.6.2007: Das Royal National Theatre nutzt YouTube […]

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