Kunst lebt auch von der Begeisterung

Vor einiger Zeit stellte ich in einem Beitrag die Frage, wo bzw. ob überhaupt irgendwo im Internet über Kunst und Kultur diskutiert wird? Eigentlich muss man die Frage nicht auf den Online-Bereich beschränken. Wo wird denn heute überhaupt noch über Kunst diskutiert? Petra van Cronenburg sprach in einem Kommentar dazu von der Schwellenangst, die die Leute davon abhält, KünstlerInnen anzusprechen.

Das ist eine traurige Situation, wenn Kunst und Kultur auf diese Weise immer mehr ins Abseits geraten. Die Gründe dafür sind wie gesagt nicht so leicht zu eruieren. Ein möglicher Grund könnte die fehlende Begeisterung sein. Und zwar auf Seiten von Kunst und Kultur.

Als ich gestern das Blog Crowdsourcing Directory las, fand ich dort auch einen Beitrag über Kiva, eine Plattform, über die Menschen anderen Menschen Geld leihen können. „Kiva brings passion to finance“ ist er überschrieben und zeigt ein Video, in dem die „Story of a Kiva Loan“ gezeigt wird. Als ich das Video sah, stellte ich mir die Frage, warum es eigentlich Kultureinrichtungen nicht gelingt, die Menschen so für ihre Sache zu begeistern?

Bezogen auf das Bankenwesen heißt es in dem Blogpost:

„Traditional banks are dealing with money, Kiva is dealing with passion.“

Ich denke, darum geht es auch im Kunst- und Kulturbereich. „Dealing with passion“, das könnte der Schlüssel sein, um Kunst und Kultur wieder ins Gespräch zu bringen. Wenn Sie sich das Video in meinem gestrigen Blogbeitrag anschauen, dann sehen Sie, welche Begeisterung Seth Godin ausstrahlt. Und dass sein Marketingansatz in Form von Tribal Leadership auch nur auf diese Weise funktionieren kann, wird einem dabei auch sehr schnell bewusst.

Vielleicht muss Kunst im ersten Schritt gar nicht so sehr erklärt und analysiert werden? Stattdessen gilt es, Begeisterung zu wecken für das, was man sehen, hören oder lesen kann. Diese Herausforderung anzunehmen und Lösungen zu finden, ist in meinen Augen auch Aufgabe von Kulturmanagement. Da hat mir das gestrige Interview auf dem Blog der stART.09 sehr gut gefallen. Wenn auch dort so allmählich ein Bewusstsein entsteht für das, was das Web2.0 alles mit sich bringt (siehe dazu die beiden Videos von Kiva.org und Seth Godin), dann könnten wir die Kurve schaffen und irgendwann wieder über Kunst und Kultur sprechen. Nicht im kleinen internen Zirkel, sondern öffentlich.


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24 Antworten zu „Kunst lebt auch von der Begeisterung“

  1. Oda Cramer von Laue

    Über Kunst sprechen – das ist vielleicht hier und da sogar „verpönt“ … schließlich soll Kunst doch wirken und etwas auslösen, aber nicht erklärungsbedürftig sein… abgesehen davon, dass kaum einer die „richtige Sprache“ beherrscht, mit der Kunst im internen Zirkel analysiert und „besprochen“ wird. Sprechen möchte und sollte man (wenn man diese Auffassung teilt und diese Hemmschwelle aufgebaut hat) darum vielleicht sowieso nur über die Wirkung von Kunst. Gerade wenn ich an Musik und deren Interpretation denke (z.B. Musik).
    Die eigene Begeisterung und Leidenschaft rüberbringen, Wirkungen beschreiben – und dabei Wirkungen in Aussicht stellen – Gefühle sogar! – ist darum vielleicht tatsächlich der richtige Weg, Kultur zu vermitteln. Anreize zur Selbsterfahrung schaffen, sozusagen, und dann die Möglichkeiten schaffen, ohne allzu große Hemmschwellen, über eigene „Eindrücke“ sprechen und vielleicht sogar dirkutieren zu können.

  2. Und was ist mit der Deutschen Bank, die Leistung aus Leidenschaft bringt? Ich glaube, man muss mit diesen Schlagwörtern sehr vorsichtig umgehen und fragen, ob sie denn wirklich einen substanziellen Unterschied beschreiben. Was jetzt den Kulturbereich angeht: Die meisten Menschen können einfach mehr Leidenschaft für ihr iPhone, ihre neue Sonnenbrille, was auch immer aufbringen, als für eine Beethoven-Klaviersonate oder eine Bach-Kantate. Kunst ist hochgradig erklärungsbedürftig, in dem Sinne, dass sie eine gewisse Kennerschaft voraussetzt. Das klingt immer so elitär und ist deswegen immer gleich verdächtig, gilt aber letztlich für alle Dinge, denen man sich mit großer Hingabe widmen kann. Wer nichts von Fußball versteht, für den wird ein Stadionbesuch eine Zumutung sein. Für sehr wichtig halte ich auch die Selbsterfahrung, das Selbermachen, das schafft den Zugang zum Fußball ebenso wie zur Kultur. In dem Sinne denke ich auch, dass Kultur erstmal gar nicht so sehr erklärt und analysiert, sondern einfach gemacht werden sollte. Allerdings bin ich nicht ganz einverstanden, dass das die Aufgabe speziell von Kulturmanagern sein soll, das ist eine ganz allgemeine Bildungsaufgabe.

  3. Das trifft die Überschrift schon den Nagel auf den Kopf: Be-geisterung, mit dem eigenen Geist das künstlerische Schaffen „beseelen“ und in anderen diese Begeisterung entfachen.
    „Anreize zur Selbsterfahrung schaffen, sozusagen, und dann die Möglichkeiten schaffen, ohne allzu große Hemmschwellen, über eigene “Eindrücke” sprechen und vielleicht sogar dirkutieren zu können.“ – diese Aspekte sind voll und ganz zu unterschreiben.
    Ergänzen möchte ich sie durch die – zwar etwas abgedroschene, trotzdem sinnvolle – Formulierung: Die Menschen da abzuholen, wo sie stehen. Sie mit ihrer Sprache, ihren Erfahrungen an die Kunst heranzuführen – egal ob die Menschen dann praktisch agieren oder sich theoretisch mit der Thematik auseinandersetzen.
    Menschen aus dem Bildungsmanagment KÖNNEN auch dazubeitragen, dass dieser Prozess gelingt, selbstverstänlich neben anderen Bereichen, die zu allgemeinen Bildungsaufgaben zählen und die Menschen bis ins hohe Alter zugute kommen sollen.

  4. @Oda Cramer von Laue: Wir sind halt doch Kinder der Aufklärung und wollen alles erklären können. :-) Die Idee, „nur“ über die Wirkung von Kunst zu sprechen, hat was. Zumindest die Kategorie richtig-falsch wäre dann draußen.

    @kulturblogger: Ich habe schon Theaterstücke gesehen, deren Inhalt ich nicht kannte und die Sprache, in der gespielt wurde, habe ich auch nicht verstanden. Und es war trotzdem ein wunderbarer Theaterabend und für mich der Beweis, dass es nicht darum geht, zu verstehen.

    Du erinnerst mich an einen Freund, der die Godardfilme nur dann genießen konnte, wenn er wusste, welcher Film in den einzelnen Sequenzen zitiert wurde. Über den Film selbst konnte er wenig sagen und genießen konnte er so einen Kinoabend auch nicht.

    Das Verstehen ist für mich eine Art Zugabe. Manchmal habe ich Lust, die Musik, die Inszenierung oder die Bilder zu verstehen. Manchmal möchte ich einfach nur sehen und/oder hören. Kunst hat ganz viel mit Emotion zu tun und die kann ich nicht verstehen, sondern nur erleben. Insofern stehe ich da auf einem ganz anderen Standpunkt.

    @Petra Öllinger: Ich denke, die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen, macht Sinn. Aber wir sollten die Menschen auch nicht unterschätzen. So blöd sind sie, besser gesagt, sind wir nicht.

    1. Ein Film sagt mehr als viele Worte. Zu gegebenem Anlass folgender Videokommentar:

      http://klauskarlbauer.wordpress.com/2009/05/19/catch-the-artist-starring-the-aldi-brothers/

      A brandnew Klaus Karlbauer film starring „The fabulous Aldi Brothers“

      1. :-) Gefällt mir… und diese schönen Autos

  5. @Christian Habe ich jetzt so sehr auf dem Verstehen rumgeritten? Wer nie zuvor Musik gehört hat und dann alle Brandenburgischen Konzerte am Stück hören muss, für den ist das nichts als Rauschen, emotional wie intellektuell. Darauf wollte ich hinaus mit dem Begriff „Kennerschaft“. Zudem wird heute eben alles und jedes emotionalisiert (s. Slogan der Deutschen Bank) und ich denke, wenn man allein bei den Emotionen ansetzt, dann ist die Abgrenzung der Kunst z.B. zur Werbung oder zur politischen Propaganda kaum mehr zu ziehen. Ich denke deswegen, dass große Kunst den Menschen in jeder Hinsicht anspricht: intellektuell, emotional, mitunter sogar ganz körperlich. Wenn du von „erleben“ sprichst, dann verstehe ich genau das darunter, dass man in jeder Hinsicht vereinnahmt ist. Ich halte deswegen nichts davon, das zu hierarchisieren oder die eine Ebene gegen die andere auszuspielen. Ich gebe dir allerdings recht, dass Kunst einen meist zuerst auf der emotionalen Ebene packt und darüber einen Anreiz schafft, sie sich ganz zu erschließen. Über rein rationale Erläuterungen hat wahrscheinlich noch niemand den Weg zu Kunst gefunden. Aber ich glaube, das hat weniger mit Kunst selbst zu tun, als damit, wie wir Menschen die Welt wahrnehmen und gilt für alle anderen Dinge genauso. Sonst würde Werbung ja z.B. viel mehr über gute Gründe funktionieren können.

  6. Hallo Christian,

    ich hatte dir ja meine Meinung dazu schonmal in einer PN geschrieben. Ich will sie hier jetzt nochmal reinbringen:
    Das Problem mit der Kunst ist, daß sie sich aus meiner Sicht zu sehr abgekapselt hat, um bestehen zu können. Das ist eine Identitätskrise, in der sie sich befindet. Sie kann ausserhalb des Whitekubes nicht mehr existieren, weil sie sich soweit selber in Frage gestellt hat, daß sie ausserhalb des White Kubes nicht mehr zu identifizieren wäre. Kunst muß als Kunst tituliert werden, um überhaupt noch als solche erkannt zu werden.

    Wenn sie sich aber einem weiteren Publikum öffnen soll, muß man trotzdem darauf bedacht sein, daß sie ihre Existenz nicht aufgibt. Der Preis der Öffnung darf nicht bedeuten, daß man Diletantismus predigt. Oder Verflachung akzeptiert. Sich verständlich machen darf nicht dazu führen, das man die Komplexität aufgibt.
    Eine solche Verflachung wäre z.B. sie nur auf ihre Emotionalität zu reduzieren.

    Der Weg muß sein, den Anspruch an die Arbeit beizubehalten, aber den Betrachter abzuholen und ihn hineinzuführen.

    Aber wenn Du Werte wieder neu definieren willst, mußt Du sie beschreiben. Werteverfall, wie wir ihn gerade erleben, kommt ja auch dadurch zustande, daß Kunst genauso wie Wirtschaft in den Händen von Spekulanten liegt. Da werden Dinge von Wissenschaftlern „schöngeschrieben“, um den Marktwert zu erhöhen. Wert von Kunst ist gleichgesetzt mit Preis für Kunst.

    Ich sehe es auch als unsere Aufgabe an, Leuten wieder die Werte erkennbar zu machen, und sie Schrott von wirklichem Guten unterscheiden zu lassen. Und das können die wenigsten.

    Daher diese verunsicherte Haltung gegenüber Kunst. Deswegen die fehlende Ausseinandersetzung und fehlende Postings in Kulturblogs und und und. Die Leute sind verunsichert, und trauen ihrer eigenen Wahrnehmung nicht mehr. Immer aus Furcht, daß was sie wahrnehmen ist ja nur ein Teil, und von dem anderen wissen sie vielleicht zu wenig. Wie oft habe ich den Klassiker gehört: Ach wissen Sie, eigentlich verstehe ich ja auch gar nichts von Kunst !!! Ein sehr perfides System, was es aufzubröseln gilt.

    Mit spursuche versuchen wir hier einen kleinen Beitrag zu leisten. Hier beschreiben wir als Künstler einfach, wie wir zu unseren Ideen kommen. Wie sich Sichtweisen im künstlerischen Prozess entwickeln, wie es zu soetwas wie Stil kommt, was für teilweise banale Dinge einfliessen.
    Welche Gedanken im Hintergrund ablaufen. Und wie plötzlich sehr komplexe Dinge zustande kommen.

    Das entmystifiziert den künstlerischen Prozess. Was gegen jede Vermarktungsgrundsätze des Betriebssystems Kunst verstößt, daß ja genau das Gegeteil macht. Künstler zu unverstandenen Genies stilisiert, vor denen man bestenfalls auf den Knien rutschen darf.

    Genau die gleichen Strukturen, die zum Zusammenbruch unseres Wirtschaftssystem geführt haben, haben auch unsere Kunst vor die Wand gefahren. Die Leute sollen nicht verstehen, sondern kaufen. Meldungen über Kunst beziehen sich doch im allgemeinen auf immer wieder neue Verkaufsrekorde bei irgendwelchen Versteigerungen.

    Es versteht doch keiner mehr, warum für ein einzelnes Bild solche Summen ausgegeben werden.Aber das ist das Prinzip des Kunstmarktes.

    Hier liegt in erster Linie unsere Arbeit. Kunst wieder in das unmittelbare Erfahrungsumfeld des normalen Bürgers zurückzuholen. Dann wird er sich auch wieder damit identifizieren und ausseinandersetzen können.

    1. Bitte sprich nicht vom sagenumwobenen „normalen Bürger“. Geh mit gutem Beispiel voran und hole dir die Kunst mal in dein unmittelbares Erfahrungsumfeld zurück! Es gibt auch ein Leben jenseits des ebenfalls sagenumwobenen „Whitekubes“… was ist das überhaupt? So viele Worte…

  7. @Kulturblogger: Christian, es geht nicht darum, dass alles, was nicht Emotion ist, weggesperrt wird. Und es geht auch nicht darum, die Leute dazu zu zwingen, sich alle Brandenburgischen Konzerte anzuhören.

    Es geht um den Zugang zur Kunst und den schaffst Du mit einem Seminar oder einem theoretischen Text eher selten. Das heißt nicht, dass man sich nicht auch auf diese Weise mit Kunst beschäftigen kann bzw. soll.

    Ich kenne Leute, die setzen sich vor dem Besuch einer Wagner-Oper zusammen und erarbeiten sich das Stück. Und das über mehrere Abende. Möglich ist das aber nur, weil sie sich für die Sache begeistern. Diese Begeisterung ist entstanden, weil sie irgendwann einmal eine Wagner-Oper gehört haben und sie das fasziniert hat.

    Um mehr geht es mir nicht, daher steht in der Überschrift auch das Wort „auch“.

    @Michael Strogies: In meinen Augen ist eine Öffnung nicht gleichbedeutend mit einem Qualitätsverlust. Sieh sie doch als Chance, um Neues kennen zu lernen. Qualitätsverlust klingt für mich so überheblich: wir wissen, wie es geht und die anderen sind die Ahnungslosen, von denen wir uns nicht anstecken lassen dürfen.

    Ich möchte die Kunst auch nicht auf den emotionalen Aspekt reduzieren. Es geht mir um den Zugang zu ihr. Je mehr Sinne wir einsetzen, um etwas zu „erleben“, desto umfassender ist das Erlebnis. Warum sollte das in diesem Fall anders sein?

    Ich denke, Euer Weg mit Spursuche ist ein vielversprechender. Auch dort geht es ganz stark um Emotion. Und das spricht an. Dass dahinter dann hohe Qualität steckt, ist ja nicht verboten. Ganz im Gegenteil! ;-)

  8. Das ist alles sehr richtig – Henner & Co(mments). Aber was heißt hier AUCH????!!?? NUR!!!! Ohne geht nix! Und genau das ist das Problem, das der Welt „verklickert“ gehört: die anderen Elemente, die die Begeisterung zum „auch“ degradieren halten sich (eben dadurch – durch solche fälschlich unterstützenden Formulierungen) für die Hauptsache – die kausalen Zusammenhänge und Abfolgen gehören da aber klargestellt und die Gewichtung geändert, wer da we, dient, wer da für wen da ist – aber Dienstleistung und Service ist in Wirklichkeit entgegen anderslautender Analysen nicht das Ding unserer Zeit (merkbar auf Schritt und Tritt im Alltag) – es wird nur ausposaunt und so bezeichnet, was schon lange nicht mehr diesen Namen verdient. Dienstleistung gilt als entwürdigend. Sie klingt nur gut in der Werbung. Aber in der Kusnt ist es ganz eindeutig so; die Welt muß gefälligst zur Kenntnis nehmen, daß ZUERST die Begeisterung für und durch Kunst da sein muß, DAMIT ein Kunstwerk entsteht und „konsumiert“ wird (sich verlieben triffts als Kommunikationsform zwischen Schöpfer und Empfänger viel besser), ohne das Vorhandensein von Kunstwerken und Menschen, deren Bedürfnis sie treffen, können sich alle anderen, die am sogenannten Kulturbetrieb mitnaschen ihre Berufe und ihre Preise und ihr Geld und ihr Finanzssystem und ihre Gesetze und ihre Verordnungen in die Haare oder sonstwohin schmieren und haben nix zu tun: Gesetzgeber, Behörden, Versicherungen, Taxis, Finanz“dienstleister“, Kritiker, undundund.
    Die einzige Frage, die es wert ist, angegangen und überlegt zu werden und sich ihr zu widmen, ist: was können wir tun, um diesen Wechsel von Maßstab, Wertigkeit, Wahrnehmung, Paradigma, etc. zu erreichen.
    Mir ist der Fall nicht bekannt, daß jemand, der sich von einem Kunstwerk angesprochen und berührt gefühlt hat, dieses nicht mehr tut, sobald er/sie erfährt, daß der Künstler dafür (noch) nicht bezahlt wurde, keine Finanzierung gefunden werden konnte oder ähnliches. Der Erlebens- und Bedeutungsdialog zwischen Künstler und Rezipient einerseits und die „kommerzielle“ Seite der Kunst andererseits sind zwei Planetensysteme, die miteinander nichts zu tun haben, völlig unabhängig voneinander operieren und sich nicht berühren – das Einzige was sie verbindet, ist: sie sind in der gleichen Galaxie. Aber das wars auch schon. Das möchten die Kulturverantwortlichen in Politik und Wirtschaft uns nur gern weismachen – daß die Qualität von Kunst von ihrer Bewertung durch den Kapitalvergabemarkt bestimmt wird. Das hätten die wohl gern…. Ganz im Gegentum liebe Geldgeber – dort und dann wo es kein Geld gibt und die Leute darben, ist Kunst erfahrungsgemäß der EINZIGE seelische Ersatz für Geld und Wohlstand, DAMIT wir den geldlosen Zustand noch irgendwie innerlich überleben und dabei nicht draufgehen. Kunst ist nicht die Ursache, sondern die Therapie DAGEGEN.

  9. @ches themann: jetzt haben wir ja dann die ganze Bandbreite abgedeckt. Verstehen einerseits, Begeisterung andererseits. :-)

    Aber wenn man es genau nimmt, dann ist doch der Grundtenor, dass sich Betrachter über die Emotion, die Begeisterung gewinnen lassen.

    Erhält man auf diesem Weg Zugang zur Kunst, dann ist es eigentlich völlig egal, ob es für die Kunst, die mir gefällt, einen Markt gibt oder nicht. Insofern hast Du Recht, Ches, wenn Du von zwei „Planetensystemen“ sprichst.

    Dass am Kulturbetrieb viele „kulturfremde“ Branchen oder Dienstleistungen dranhängen, ist auch kein Thema. Das bringt die Komplexität der Welt so mit sich. Bleibt die Frage, ob es Alternativen zu diesem System gibt. Mir fällt keines ein…

    1. … dann sollten wir gescheiten kompetenten Köpfe einen think-tank beginnen. Auf jeden Fall freu ich mich, daß Du meine Meinung interessant findest und teilst.

      1. Think-Tank ist gut, obwohl sich mir die Frage stellt, ob es dazu einer Institution bedarf? Das Web2.0 macht solch zentrale Strukturen eigentlich überflüssig. Nutzen wir den Kommunikationsraum des Social Web, dann können sich alle daran beteiligen!

  10. Ich hab ja eh keine Insitution gemeint, sondern uns hier und jetzt -live und in Deinem „auch“-blog. Keine Planungen, sondern hier anstatt gleich loslegen. Man kann auch statt Absichtserklärungen auch gleich die Tätigkeit ansetzen. blog und alle Varianten aus dem Dampfzeitalter davor sind ja in Wirklichkeit auch nur Platzhalterfunktion (wie bei einem eingefügten Bild der „Anstatttext“ – der allein würde uns ja auch nicht genügen – Rezept lesen ersetzt anschließendes essen nicht. :-)))

  11. Kulturblogger spricht mir an vielen Punkten aus der Seele: Liebe zur Kunst entspringt nicht nur den Emotionen, sondern auch dem Verstehen. Es ist sogar so, dass einige Künste darunter leiden, dass heutzutage alles zuerst und überhaupt über Emotionen wirken soll (und die sind dann entsprechend abgeflacht!) Kunst darf auch zuerst den Geist ansprechen, alles erlaubt. Das hat natürlich mit Bildung zu tun, ob mit Geschmacksbildung oder intellektueller Bildung – man kann also in der Kindheit ansetzen oder kindlich, will sagen spielerisch.

    Ich weiß nicht, ob die Lage wirklich so schlimm ist, wie hier beschrieben. Gestern bin ich erst auf ein feines Projekt von Michael T. Thomas gestoßen, dem Musikdirektor der San Francisco Symphony: http://www.keepingscore.org/flash/stravinsky/index.html Da greifen Bildung, intellektuelles Wissen, Begeisterung eines Künstlers und Emotion wunderbar ineinander. Ob es daran liegt, dass es einer macht, der von Kunst Ahnung hat, IN der Kunst lebt und nicht ÜBER Kunst redet?

    Ich kenne leider nur noch die Situation in Frankreich und im deutschen Grenzland, und habe heute gerade in meinem Blog darüber geschrieben, wie dort Kunst am Beispiel des Schriftstellers im Leben der Bürger verankert wird. Ich möchte hier in jedem Museum, jeder Ausstellung die Kinderaktionen mitmachen, so bezaubernd wird hier Kunst erklärt und erfahren – berührt. Und diese Chance wird erkannt: Der Umgang mit Kindern lehrt, wie man auch einfacher Gebildeten oder Menschen, die bisher eher kunstfern lebten, an Kunst heranführen kann. Und wird das im deutschsprachigen Raum nicht längst ebenfalls gemacht?

    Ich kenne kein Theater, das sich nicht einen Theaterpädagogen leistet, keine öffentliche Einrichtung ohne Animateur. Ich habe eher den Eindruck, dass es an geeignetem Personal mangelt, das diese Begeisterung verstehbar mit dem Publikum teilen kann. In Frankreich machen das oft Künstler selbst – ein hilfreiches Zubrot übrigens.

    Aus meiner eigenen Erfahrung heraus möchte ich meinen Kommentar vom letzten Mal differenzieren: Ich weiß nicht, wie man unter Nichtinsidern einen Diskurs im Internet lostreten kann, dort die Hemmschwellen überwinden. Ist das so behäbig, weil oberflächlich? Oder braucht man dafür, dass der Funke überspringt, schlicht mehr als Technik?

    Im Leben dagegen erfahre ich immer wieder, dass man die Menschen durchaus fordern darf. Wenn ich da nämlich erzähle, kommen naive wie verblüffend intelligente Fragen gleichermaßen. Und dann bin ich gefragt, nicht beide in irgendeinem Dünkel gegeneinander auszuspielen. Im Gegenteil – ich muss den Hochintellektuellen womöglich charmant für die anderen „übersetzen“ und die verblüffenden Inhalte des Naiven heben. Könnte es sein, dass sich hier die deutsche Mentalität ein wenig im Wege steht, wo immer fein säuberlich zwischen E und U getrennt wird und für alles Fachsprachen existieren?

    Oft hilft es auch, einfachst zu denken. Wir holen z.B. in einem Theaterprojekt Landbevölkerung in die Theater der Großstadt, indem wir zuerst von der spannenden Geschichte erzählen. Indem wir dann einen absolut preiswerten Abend anbieten (Busfahrt kostenlos, gesponsert, Gruppenkartenpreise) und die Aussicht, dabei Leute in intimen Kreis kennenzulernen und ein Gläschen zu trinken. Das packt die Leute zunächst sehr primitiv: Ein Abend für 12 Euro in der Großstadt, sozusagen mit Chauffeur: besser als Kneipe oder Langeweile. Und dann packt sie das Theater (manche sind zum ersten Mal im Leben dort). Wir wiederum halten sie dann, indem sie nach der Vorstellung mit einem Schauspieler reden können (die Schüchternen zuhören), den der Verein dann wiederum mit seiner Truppe aufs Dorf bringt.

    Am Wochenende sind im gesamten Elsass die „offenen Ateliers“, im ganzen Land öffnen Künstler ihre Ateliers, es gibt etwas zu trinken, befreundete Musiker, Clowns, Schriftsteller machen Programm (und damit Werbung für sich). Da kann man beim Arbeiten zuschauen und neugierig Fragen stellen und lernt, wo überhaupt welche Künstler was machen. Natürlich wird dafür vorher ordentlich Werbung gemacht, es gibt Listen der Ateliers. Da kann man sich einen Künstler bei sich zuhause suchen oder eine Ausflugstour gestalten.

    Ich sehe also gar nicht schwarz, im Gegenteil. Aber wie Ches Themann das andeutet – am lebendigsten funktioniert das von „unten“ und am wenigsten, wenn sich Manager darum kümmern. Denn darin steckt eine Essenz, Zitat Themann: „die Welt muß gefälligst zur Kenntnis nehmen, daß ZUERST die Begeisterung für und durch Kunst da sein muß, DAMIT ein Kunstwerk entsteht und “konsumiert” wird“.

    Alle Projekte, die ich genannt habe, sind Zuschussprojekte (Mäzenatentum, Sponsoring, Staatsgelder) und keine Profitunternehmen per se. Was würde passieren, wenn solche Projekte wirtschaftlich lohnend sein müssten?

    1. Hallo Petra,

      wir bauen gerade ein ähnliches Netzwerk auf. Wir wollen mit unserer Gruppe in einigen großen Städten kleine lokale Netzwerke aufbauen. Hier haben wir bereits einige Hotels als Coop-Partner, die es uns dann ermöglichen, auch Künstlern aus anderen Städten zu Ausstellungen zu holen. In den Städten wollen wir dann Aussteller und interessierte Leute über das Web ansprechen, und so nach und nach eine feste, REALE Community aufbauen.

      Das alles ist möglich, und steht irgendwo auch im Rahmen von Aktionen, die sich jeder Unternehmer auch einfallen lassen muß, um heutzutage noch mit seinem Unternehmen Fuß zu fassen. Warum soll es da der Künstler soviel besser haben. Wir machen ouren für Musiker…die sind froh, wenn sie mal eine Wochenende zu Hause sind.

      Dennoch brauch man hier den Austausch mit Leuten wie ihr, die einfach Erfahrungen von einer ganz anderen Seite gemacht haben. Ob das jetzt ein „Kulturmanager“ sein muß, oder ein Think Tank……..wichtig ist der Austasuch, um so wenigstens einen kleinen Überblick zu bekommen. Wir alle werden genug Fehler machen, können deshalb gut und gerne auf Fehler verzichten, die andere schon gemacht haben :-)))

  12. Hallo Michael,
    ich wollte nichts Negatives über Kulturmanager sagen, ich lasse mich ja selbst auch von einer Kulturberatung schlau machen und wir arbeiten bei solchen Projekten mit Kulturförderern etc. Ich glaube, eben dieser Think Tank mit sehr unterschiedlichen Leuten kann sehr befruchten!

    Die Kulturmanager bezogen sich auf den Zustand der letzten Jahre in Frankreich. Da gibt es derzeit enorme Probleme mit „von oben“ gemachter Kultur (die, wenn sie bombastisch genug ist, natürlich auch funktioniert) – und die „Kulturmanager“ hier werden teilweise gar nicht mehr verstanden. Das ist immer diese Spannung: Machen wir Kunst, frei und kreativ – und entscheiden danach, wie wir damit zu Geld kommen – oder lassen wir Kunst als Profitvehikel anfertigen, Kunst als Warenwert. Letzteres wird dann nur noch konsumiert, nicht mehr diskutiert.

    Und ich dachte, genau das und das Diskutieren über Kunst würden im deutschen Sprachraum besser funktionieren?

  13. Naja, Petra, ich glaube, man braucht nur auf die Aufrufzahlen von Blogs zu sehen, und die Anzahl der abgegebenen Kommentare, das gibt dann schon eine Antwort auf die Diskussionsfreude. Und das bei einer Zielgruppe, von der man sicherlich annehmen kann, daß sie kunstaffin ist (warum sonst würde sie diese Blogs suchen)

    Aber wie du selber schreibst, erlebt man es ganz anders an Tagen von offenen Atelliers, oder, wie wir es jetzt vielleicht forcieren wollen, an Hausart-Ausstellungen. Wo wir uns einfach als Künstler einladen lassen, und in Häusern kleine Ausstellungen organisieren. In solch ungezwungener Atmosphäre öffnen sich die Menschen auf einmal.

    Also kann doch nur die Frage lauten…Wie bekommen wir diese Schwellenangst abgebaut?
    Und die Kunst, wie oben viel zu lang :-) beschrieben, ist ja nicht ganz unschuldig daran. Je höher der Sockel wird, auf dem Kunst präsentiert wird, umso mehr entrückt sie den Leuten, die davor stehen.
    Die Frage ist, was da im Kleinen funktioniert, wie kann man das ins Große umsetzen. Und wenn man Menschen dafür begeistern kann, wie kann man daß dann in Konzepte bringen, die auch die Kosten einspielen, die sie produzieren?

    1. Eine zauberhafte Idee, diese Hausart! Und die letzte Frage: Genau da kommt man, denke ich, als Einzelkämpfer kaum weiter.

      Was die Kunstdiskussionen in Blogs etc. betrifft, habe ich mittlerweile eine bösartige Theorie: Die mangelnde Diskussionsbereitschaft hat gar nichts mit der Kunst zu tun, sondern mit dem Medium.
      Wenn ich mehr Zeit habe, will ich eine kleine Umfrage bei mir machen, aber bei Lesern, die ich bisher fragte, zeigt sich schon jetzt: Diskutiert wird lieber in Forenstrukturen und Newsgroups (aber auch da ist der „harte Kern“ winzig). Blogs werden eher konsumiert. Bei einigen geht es technisch gar nicht anders. Das mal als Hypothese.

      Mir fällt dies im Feuilleton auf, wo man ähnlich wie im Blog Artikel kommentieren kann. Sollten eigentlich kunst- und kulturaffine Menschen versammelt sein. Analysiert man aber deren Kommunikationsverhalten, etwa, worauf sie anspringen, was sie wirklich loswerden wollen, wie sie miteinander oder eben nicht reden – dann kann einem schwindlig werden. Das unterscheidet sich allenfalls noch sprachlich von Auto-Seiten oder Gummienten-Artikeln.

      Irgendetwas an der Technik scheint einer Diskussionskultur im Wege zu stehen?

  14. @Petra van Cronenburg: Das Beispiel der San Francisco Symphony ist wunderbar. Genau sowas würde ich mir viel öfter wünschen. Aber ist das nicht eher die Ausnahme?

    In ihrem Beitrag Bloggen über Kunstvermittlung stellt Elisabeth Ihrenberger Ähnliches fest, wenn sie schreibt: „Kunstvermittlung wird leider noch viel zu oft auf das Abhalten von Führungen reduziert und als rein pädagogisches Aufgabengebiet gesehen.“

    Genau das ist für mich der Punkt. Ich möchte Kunst erst einmal als Kunst erleben und dann interessiere ich mich (vielleicht) für die Hintergründe. In der Schule musste ich erst lernen, was ein Stabreim ist und dann kamen die Beispiele. Das hätte ich gerne anders herum.

    Aber vielleicht sind die Menschen da auch ganz unterschiedlich, was den Zugang zur Kunst angeht? Die einen müssen die Brandenburgischen Konzerte erst verstehen, bevor sie sie sich anhören. Die anderen gehen erst ins Konzert und beschäftigen sich dann mit Geschichte, Struktur und ähnlichen Dingen.

    Was ich unterstreiche: die Menschen sind nicht so blöd, wie sie oft dargestellt werden. Man muss nicht studiert haben, um ein Konzert oder einen Theaterabend genießen zu können. Wenn ich ein Stück kenne und interpretieren kann, ist der Genuss vielleicht ein anderer, aber es ist nicht die einzige Form von Genuss. Wie gesagt: ich habe schon Theaterstücke gesehen, die in einer mir fremden Sprache gespielt wurden und deren Inhalt ich nicht kannte. Das kann ganz wunderbar funktionieren…

    Was die Kommunikation angeht: ich denke, einen Dialog im Internet zu beginnen ist genauso schwer wie im realen Leben. Nur kommt hier die Angst vor so etwas Neuem wie z.B: einem Blog dazu.

    Außerdem bin ich im Unterschied zu einem geschlossenen Forum noch der Öffentlichkeit ausgesetzt, vor der ich mich nicht blamieren möchte. Je kleiner und persönlicher der Rahmen, desto niedriger die Hemmschwelle. Aber das ist im realen Leben auch so, oder?

    1. Niemand soll und darf sich von diesen selbsternannten „Zuerst-musst-du-verstehen-dann-darfst-du-erleben-oder genießen-Terroristen“ einschüchtern lassen, vor allem nicht jene, die sich die Gnade des unmittelbaren, intuitiven Zuganges bewahrt oder aber auch erarbeitet haben. Und vor allem, das ist ein mitteleuropäisches Phänomen bzw. Problem.

  15. Hallo Petra,

    was Foren-Struktur und Blog angeht gebe ich dir recht.Auch wir haben das intern einmal diskutiert, was der richtige Weg ist.

    Meine Beobachtung ist, daß man in Foren die Leute schneller zur Teilnahme bewegt. Wobei du auch da recht hast, der Prozensatz der wirklich aktiven Mitglieder ist relativ gering. Aber die Hemmschwelle deutlich niedriger.

    Auf der anderen Seite scheinen mir die Beiträge in Blogs oftmals konzentrierter. Das mag an den Gründen liegen, die Christian erwähnt hat. Was mir als Lesendem wieder sehr gut gefällt, da das was ich lese schneller auf den Punkt kommt, während auf Foren sich die Beiträge oftmals sehr stark auch auf das Zwischenmenschliche beziehen, was auch wichtig ist, aber eben bei einer Diskussion oftmals auch erschwerend.

    Zur Zeit haben wir uns auf so ein Zwischending geeinigt. Ohne direkt Konzept zu sein, eigentlich mehr aus der Entwicklung heraus als relativ junges Konzept. Auf Xing haben wir unser Forum, wo man sich kennenlernt, und von dem aus dann Beiträge direkt sich auf den Blog beziehen.

    Hier in der Diskussion wird mir gerade klar, daß das bei uns durch Zufall entstandene Prinzip vielleicht gar nicht so dumm ist. Das ist ein wenig wie eine Foyer-Situation, wo man vielleicht den ersten Sekt trinkt, sich kennenlernt um dann der Aufführung mit Konzentration zu folgen.

    Vielleicht sollte man die Vorteile beider Systeme nutzen und kombinieren?

  16. @Michael Strogies: ich habe vor einiger Zeit mal in einem Blogpost mit dem Unterschied zwischen Foren, Blogs und Social Networks beschäftigt. Nicht ohne Grund gibt es mittlerweile Community Manager, um die Komplexität dieser Form der Kommunikation in den Griff zu bekommen.

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